Lesen – Zwischen Neugierde und Tiefe
- ulrikelavilla
- 9. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Sie liebt Bücher. Sie liebt den Duft von Papier, die Energie neuer Gedanken, das Versprechen, sich selbst ein Stück besser zu verstehen. Und trotzdem bringt sie kein Buch zu Ende. Bis sie entdeckt, dass es gar nicht darum geht, etwas fertigzubringen – sondern lebendig zu bleiben.
Die Geschichte
Claudia (Name geändert) sitzt auf dem Sofa, ein Buch in der Hand – Persönlichkeitsentwicklung, Bewusstsein, Spiritualität. Die ersten Kapitel verschlingt sie. Alles ist spannend, neu, inspirierend.
Dann lässt das Interesse nach. Das Buch bleibt liegen.
Kurz darauf entdeckt Claudia ein anderes. Noch schöner, noch tiefer. Sie kauft es, beginnt zu lesen – und legt es wieder beiseite.
Wenig später liegt das dritte Buch auf dem Tisch. Dann das vierte. Und irgendwann kommt dieser Gedanke:
„Ich bringe nichts zu Ende. Ich bin undiszipliniert. Ich kriege es einfach nicht hin.“
Ein vertrautes, altes Gefühl. Wie damals in der Schule, als man still sitzen musste, Seite für Seite, ohne Pause, ohne Freiheit.
Sie beginnt, sich zu zwingen. Sie will das erste Buch zu Ende lesen – koste es, was es wolle. Aber es fühlt sich leer an. Die Freude ist verschwunden. Und kaum hat sie die Seite gelesen, weiß sie nicht mehr, was darauf stand.
Im Coaching sprechen wir darüber, wie unser Gehirn Inhalte speichert. Und was unser Gehirn glücklich macht. Den Anspruch sich etwas sofort zu merken, nur weil wir es einmal gelesen haben ist - fast - unereichbar, zumindest für die meisten Menschen. Es braucht Wiederholung, Gefühl, Bedeutung. Wissen will erlebt werden – nicht gezwungen.
Und dann tauchen auch hier zwei innere Stimmen auf. Die eine: neugierig, lebendig, verspielt. Die andere: ruhig, tief, beständig.
Die Neugierde will Neues entdecken, springen, erleben. Die Tiefe will verweilen, verstehen, durchdringen.
Bisher kämpften sie gegeneinander. Aber was, wenn sie miteinander tanzen könnten?
Wir lassen sie in Dialog treten – und sie schließen Frieden. Von jetzt an darf beides da sein: die Lust auf Neues und die Liebe zur Tiefe.
Claudia beginnt, frei zu lesen. Mal nur eine Seite. Mal ein Kapitel. Mal drei Bücher gleichzeitig. Sie markiert Sätze, schreibt Gedanken daneben, blättert vor, blättert zurück.
Und plötzlich geschieht es: Eines der Bücher liest sie tatsächlich zu Ende. Nicht, weil sie musste – sondern weil sie wollte.
Andere Bücher verkauft oder verschenkt sie weiter. Das Wissen bleibt im Fluss, genau wie sie.
Heute liest Claudia mit Freude, mit Vertrauen, mit Leichtigkeit. Sie weiß: Die richtigen Worte finden immer zu ihr.
Vielleicht geht es dir ähnlich – du springst von Thema zu Thema, von Buch zu Buch, von Idee zu Idee. Dann erinnere dich: Es geht nicht darum, alles fertigzulesen. Es geht darum, lebendig zu bleiben. In Bewegung. In Freude. In Tiefe.



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